Von der Würde des Alters und der Vollendung des Lebens (2)

„Alt werden und lebendig bleiben“, unter diesem Titel sind im Jahr 2021 einige Texte von Karl Rahner (1904-1984) im Matthias-Grünewald-Verlag veröffentlicht worden, in denen sich dieser große Theologe des 20. Jahrhunderts über das Altwerden des Menschen äußert. Die ersten beiden hier zitierten Texte stammen aus den zahlreichen Interviews, die anlässlich des 80. Geburtstages von Pater Rahner geführt wurden. Der dritte Text ist einer Predigt entnommen, die Rahner im Jahr 1974 gehalten hat, anlässlich des 70. Geburtstages eines befreundeten Pfarrers aus München.

                                                                                               Claus-Dieter Klais, Diakon

„Wie erleben Sie die Zeit des Alterns?“ (Frage des Interviewers)

Rahner: Es gibt natürlich sehr viele Leute, gerade heute, die löbliche und etwas herbeigezerrte Lobsprüche über das Alter machen. Es gibt auch ein beruhigtes Alter, ein reifes, ein abgeklärtes Alter, ein – vielleicht – schönes Alter, in dem man auf sein Leben zurückblickt. Aber es gibt eben auch ganz nüchtern das Alter, das immer näher dem Tod entgegengeht. Ein Alter, in dem man abgebaut wird. Ein Alter, in dem man da und dort, in dieser oder jener Hinsicht den Eindruck hat, auf das tote Geleise geschoben zu werden. Ein Alter, in dem man mühsam eben das Ende seines Lebens kommen sieht, mit diesem Alter, meine ich, muss ein Christ auch illusionslos, nüchtern fertigwerden, weil er eben eine Hoffnung, wie Paulus sagen würde, „gegen alle Hoffnung“ hat.

Der Gipfel eines Lebens

Interviewer: Wie sehen Sie – vom Gipfel Ihrer 80 Jahre aus – Ihr Leben in puncto Zukunft und Gott?

Rahner: Der wirkliche Gipfel meines Lebens kommt erst noch; ich meine jenen Abgrund des Geheimnisses Gottes, in den man sich hineinfallen lässt voller Vertrauen darauf, von seiner Liebe und seinem Erbarmen auf ewig angenommen zu werden.

Christlich gehen können

Ich bin alt geworden. Das ist auch eine Gnade, weil im Alter die Hoffnung des ewigen Lebens wächst, weil Du (gemeint: Gott) zunimmst, wenn wir abnehmen. Wie lange dauert es noch, bis es für immer Abend ist? Ich weiß es nicht. So mache ich weiter, solange noch Tag ist. Am Ende gehe ich mit leeren Händen fort, ich weiß es. Aber so ist es gut. Dann will ich auf den Gekreuzigten schauen. Und gehen. Was kommt, ist die selige Unbegreiflichkeit Gottes.